Christina Tewes-Gradl und Piera Waibel wurden vom Christian Robin, dem Geschäftsleiter der Kakaoplattform, interviewt. Das Interview soll die Methode des ii2030 Regenerativer Kakao darlegen und erläutert, was die Teilnehmenden vom anstehenden Konsultationsprozess erwarten können.
Regenerativer Kakaoanbau ist ein eher neuer Begriff, der nicht allen bekannt sein dürfte. Kann man den Begriff klar eingrenzen? Wann kann man nach eurer Auffassung von einem regenerativem Kakaoanbau sprechen?
Piera Waibel: Tatsächlich geht das Paradigma der regenerativen Landwirtschaft bereits Tausende von Jahren zurück. In den letzten Jahren hat dieser Ansatz jedoch an Dynamik gewonnen, vor allem aufgrund der zunehmenden globalen Umweltprobleme wie dem Verlust der biologischen Vielfalt, der Verarmung der Böden, der Wasserknappheit oder den Auswirkungen der Klimakrise. Es gibt zwar keine einheitliche Definition, was regenerative Landwirtschaft bedeutet, aber sie lässt sich durch eine Kombination von Grundsätzen und Praktiken beschreiben. Auf Kakaofarmen können dazu Mehrschichtsysteme und Agroforstwirtschaft, Gründüngung und Mulchen sowie eine Diversifizierung der Kulturen gehören. Um jedoch das Potenzial der Landwirtschaft zur Regeneration der Gesundheit, Vitalität und Evolutionsfähigkeit ganzer Ökosysteme zu erschließen, müssen regenerative Betriebe über ihre Grenzen hinauswirken. Oder, um es mit den Worten von Ethan Soloview zu sagen: "Nur systemische Ergebnisse können bestätigen, dass eine Regeneration stattfindet".
Die ii2030-Methode arbeitet mit verschiedenen Prozessphasen: Wieso braucht es diese verschiedenen Phasen? Was steckt hinter den einzelnen Phasen?
Christina: ii2030 steht für inclusive innovation zur Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der UNO. Es ist eine Methode, die es mehreren Akteuren ermöglicht, komplexe, systemische Probleme gemeinsam anzugehen und Lösungsansätze für systemische Veränderungen zu schaffen. Wir arbeiten auf integrative und regenerative Ergebnisse hin, aber auch auf einen Ansatz, der alle relevanten Akteure einbezieht.
Wir durchlaufen drei Phasen: Konsultation, Mitgestaltung und Umsetzung.
- Die Konsultation ist eine offene Einladung, um ein gemeinsames Verständnis des aktuellen Systems und potenzieller Hebelpunkte zu entwickeln.
- Von hier aus erstellen wir gemeinsam mit den relevanten Partnern konkrete Lösungsansätze (sog. Prototypen).
- Schließlich setzen diese Partner die Lösungsansätze bzw. die Prototypen an einem Standort um, mit dem Ziel, daraus zu lernen und ihn anschließend zu erweitern.
Was kann ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin vom anstehenden Konsultationsprozess erwarten? Was für einen Nutzen kann er oder sie daraus ziehen?
Christina: Während der Konsultation werden wir erörtern, was die Ausweitung des regenerativen Kakaoanbaus in Ghana ermöglicht bzw. behindert und wo wir die Dynamik in Richtung Ausweitung verstärken können. Wir werden eine Systemkarte mit Hebelpunkten erstellen, die wir mit allen Teilnehmern teilen werden. Sie können sie für ihre eigene Analyse und Planung nutzen. Die Teilnahme bietet außerdem die Möglichkeit, eine neue Methode – die Systempraxis – zu erlernen und mit anderen relevanten Akteuren in Kontakt zu treten.
Piera Waibel: Die Konsultationsphase umfasst zwei Online-Workshops à 2 Stunden mit allen relevanten Akteuren in einem offenen Prozess, einschließlich verschiedener Breakout-Sitzungen für Gruppenarbeit. Wir suchen Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit Kenntnissen über und/oder Erfahrungen mit regenerativen Kakaoproduktionssystemen in Ghana, insbesondere auf kleinbäuerlichen Betrieben, die mit uns mitdenken möchten. Wenn Sie interessiert sind, kontaktieren Sie mich (p.waibel@endeva.org)!
Das Ganze soll im Fall von Ghana pilotiert werden. Wo seht ihr die grössten Herausforderungen im Fall Ghanas? Wo verortet ihr die grössten Chancen?
Piera Waibel: Der Kakaoanbau hat in Ghana bereits eine längere Tradition. Im Laufe der Zeit wurde den Bauern ein eher extraktiver oder degenerativer Ansatz beigebracht. Es ist eine Herausforderung, die Mentalität einer überwiegend älteren bäuerlichen Bevölkerung und des Sektors im Allgemeinen zu ändern. Das Sankofa-Projekt von HALBA leistet hier einen wichtigen Beitrag, denn die bestehenden Parzellen zeigen deutlich die Vorteile einer dynamischen Agroforstwirtschaft für die Bauern. Wir werden uns auf die Ausweitung des Sankofa-Projekts konzentrieren. Dazu ist es notwendig, dass auch andere einen Beitrag leisten, indem sie Kapazitäten aufbauen und ausbilden, Zugang zu Ausrüstung und Pflanzmaterial verschaffen, Übergangsfinanzierungen bereitstellen oder neue Technologien entwickeln.
Viele Kakaobauern in Ghana stehen mit dem Rücken zur Wand und streben nach einer besseren Zukunft. Die regenerative Landwirtschaft bietet einen vielversprechenden Ausweg aus der Situation, in der sie feststecken. Außerdem gibt es in Ghana eine große, junge und dynamische Bevölkerung, die an Fortschritt und Innovation interessiert ist. Es wäre großartig, wenn wir im Rahmen dieses Projekts lokal (mit-)entwickelte Lösungen finden könnten, die es dem Sektor ermöglichen, regenerativen Kakao (oder die Landwirtschaft im Allgemeinen) zur Norm zu machen.
Zu den Personen:
Christina Tewes-Gradl: Christina Tewes-Gradl ist Expertin für integrative Wirtschaft und Systeminnovation. Als Gründerin und Geschäftsführerin von Endeva arbeitet sie mit Partnern aus allen Sektoren zusammen, um einen wirtschaftlichen Wandel zu ermöglichen, der den Menschen und dem Planeten zugutekommt, oft unter Anwendung der ii2030-Methode. Da sie auf dem Land aufgewachsen ist und seit 2005 mit Kleinbauern auf der ganzen Welt zusammenarbeitet, setzt sie sich gerne für ein Lebensmittelsystem ein, das alle Menschen ernährt und Kleinbauern zugutekommt. Christina ist ehemalige Forschungsstipendiatin der CSR-Initiative der Harvard Kennedy School, strategische Beraterin der UNDP-Initiative Growing Inclusive Markets und Kofi Annan Fellow on Global Governance. Sie ist Sozialwissenschaftlerin und hat über das Konzept der Geschäftsmodelle promoviert. Zuvor arbeitete Christina als Strategieberaterin bei McKinsey&Co und mit Reisbauern in Madagaskar.
Piera Waibel: Piera Waibel verfügt über 20 Jahre Erfahrung im Nachhaltigkeitsmanagement und in der Nachhaltigkeitsforschung, wobei sie in Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und in der Unternehmensberatung tätig war. Vor einem Jahr gründete sie ihr eigenes Unternehmen, um sich ganz auf die regenerative Transformation landwirtschaftlicher Systeme zu konzentrieren. Piera ist assoziierte Expertin von Endeva und Vorstandsmitglied von Clarmondial, der Pakka-Stiftung und Agricultura Regeneratio. Sie hat einen wirtschaftswissenschaftlichen und nachhaltigen Hintergrund und promovierte an der Universität Zürich. Dafür verbrachte sie 1,5 Jahre am Tropical Agricultural Research and Higher Education Centre (CATIE) in Turrialba, Costa Rica.
Mehr Informationen:
KONZEPT II2030 REGENERATIVER KAKAO
FINDINGS SUMMARY CONSULTATION PHASE INKL. SYSTEM MAP
Fotos © HALBA Sankofa